Mittwoch, März 15, 2006

Quotenvorrecht - Was ist das denn???

Ich komme gerade von einem Termin, bei dem sowohl die erkennende Richterin als auch der gegnerische Kollege das Quotenvorrecht noch nicht kannten - wie wahrscheinlich eine ganze Reihe von Juristen, die sich mit Verkehrsrecht beschäftigen.

Mein Mandant hatte seine Vollkaskoversicherung in Anspruch genommen, weil der Gegner die Zahlung abgelehnt hatte. Die verbliebenen Schäden wurden also mit der Klage geltend gemacht. Im Termin sollte sich auf "50/50" geeinigt werden - so weit einverstanden. Dann jedoch die Berechnung des verehrten Kollegen:
Selbstbeteiligung + Minderwert + Nutzungsausfall + Kostenpauschale + Rückstufungsschaden, das ganze geteilt durch zwei, macht...
Auf meinen Einwand, daß dies aber mit dem Quotenvorrecht nicht vereinbar sei, erntete ich von allen Seiten nur Ungläubigkeit. Daher hier die Berechnung, worauf mein Mandant tatsächlich Anspruch hat (wer sich zum Thema informieren möchte, empfehle ich den Aufsatz von Lachner, ZfS 1999, 184):

(Reparaturkosten + Minderwert) abzüglich geleisteter Kaskoentschädigung

ergibt den kongruenten Schaden, den mein Mandant vollständig ersetzt verlangen kann.

Außerdem kommt hinzu:
Nutzungsentschädigung + Anwaltskosten + Rückstufungsschaden + Kostenpauschale

ergibt den weiteren (nicht kongruenten) Schaden, den mein Mandant nur zur Hälfte ersetzt verlangen kann. Der Anspruch auf den vollen kongruenten Schaden wird natürlich begrenzt durch den prozentualen Gesamtersatzanspruch des kongruenten Schadens, der im Regelfall aber nicht überschritten wird (nur bei sehr großem Haftungsanteil des Mandanten).
Rechnet man hingegen nach der zuerst genannten Variante ab, verschenkt man einen nicht unerheblichen Teil des Schadensersatzanspruchs an die Gegenseite, nämlich einen großen Teil des kongruenten Schadens. Ein klarer Beratungsfehler des Anwalts, der zum Haftungsfall führt...

Im o.g. Fall wurde sich der Einfachheit halber also "nur" auf eine Haftungsquote geeinigt, abgerechnet wird dann mit der Versicherung, der das Quotenvorrecht hoffentlich bekannt ist.